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Regionalverkehr 6/2005

Nachträglich klimatisiert

Nachrüstungen, die im ursprünglichen Fahrzeugdesign nicht vorgesehen sind, erfordern bei ihrer elektrischen wie mechanischen Integration oftmals durchdachte Detaillösungen. Ein Beispiel ist die Modernisierung von zwei S-Bahn-Triebzügen der Baureihe ET 420 der Deutschen Bahn AG, die im Sommer 2005 im DB-Werk Krefeld durchgeführt wurde. Diese beiden Züge gehören zu den zwei letzten Bauserien, die zwischen 1989 und 1997 an die DB ausgeliefert wurden. Neben neuen Sitzen und einem Fahrgastinformationssystem wurden eine Klimaanlage für die Führer- sowie eine Kühlanlage für die Fahrgasträume nachgerüstet. Dabei erforderte insbesondere die räumliche Unterbringung der Klimaanlage sowie deren Versorgung mit elektrischer Energie einen erhöhten Aufwand.

Aufgrund der vollständigen Belegung des Unterflurbereichs des Fahrzeugs mussten die Klimaanlagen auf dem Dach installiert werden. Hinzu kam, dass die vorhandene Bordnetzversorgung leistungsmäßig nicht in der Lage war, zusätzliche Verbraucher zu versorgen. Ein zusätzliches Energieversorgungssystem musste vorgesehen werden, das in der Klimaanlage auf dem Dach untergebracht wurde. Um diese zusätzlichen Komponenten zu integrieren, war einerseits eine Verstärkung der tragenden Elemente im Dachbereich der Wagen notwendig. Andererseits galt es, das Gewicht von Klimaanlage und Energieversorgung so gering wie möglich zu halten.

ET 420

Elektrisch ist der ET420 für den Betrieb an der 15-kV-AC-16,7-Hz-Oberleitung vorgesehen. Daher werden sowohl die vorhandenen Bordnetze als auch die Antriebe über getrennte Wicklungen eines Traktionstransformators versorgt. Allerdings war die für die Bordnetzversorgung vorgesehene Wicklung leistungsmäßig nicht für die zusätzliche Belastung durch die Klimaanlage geeignet. Die Traktionswicklung hingegen verfügt über eine ausreichende Reserve. Somit wurde die Energieversorgung für die Klimaanlage für den Anschluss an die Traktionswicklung konzipiert. Da diese Wicklung bei Heizbetrieb die Fahrgastraumheizung versorgt, musste sichergestellt werden, dass die Kühlanlagen keinesfalls gleichzeitig mit der Fahrgastraumheizung in Betrieb sind.

Das Traktionskonzept sieht jeweils zwei Traktionswicklungen pro Endtriebwagen vor. Jeder Traktionswicklung ist ein Thyristorsteller als Traktionsstromrichter zugeordnet. Die DC-Ausgänge der Traktionsstromrichter sind in Reihe geschaltet und versorgen alle Fahrmotoren gleichzeitig. Diese Lösung hat natürlich erhebliche Konsequenzen für die Energieversorgung; sie muss einerseits mit einer galvanischen Trennung ausgerüstet sein, um die Isolation aller Verbraucher innerhalb der Klimaanlage nicht unzulässig zu belasten. Andererseits ist zur Minimierung der Transformatorbelastung ein möglichst sinusförmiger Strom aus der Traktionswicklung zu entnehmen, und die Energieversorgung muss der Verzerrung der Spannung am Transformator durch den Thyristorsteller und dessen elektromagnetischen Störungen gewachsen sein.

Die Energieversorgung der Klimaanlage soll somit zum einen leicht und kompakt sein und zum anderen über eine galvanische Trennung sowie eine aktive Eingangsstromregelung verfügen. Die aktive Eingangsstromregelung (PFC) sorgt für einen sinusförmigen Eingangsstrom in Phase mit der verzerrten Eingangsspannung. Die galvanische Trennung wurde aus Gewichtsgründen durch ein Mittelfrequenzkonzept realisiert.

Zusätzlich ist für Servicezwecke eine Einspeisung der Klimaanlagen aus dem Drehstromnetz 3x 400V AC 50 Hz realisiert worden. Hierdurch können die Anlagen unabhängig von der Energieversorgung des Zuges betrieben werden.

Aufgrund dieser hohen Anforderungen fiel die Wahl auf die Energieversorgung MEE-NTSD des Herstellers SMA Technologie AG. Die Energieversorgung besteht aus einem galvanisch trennenden Eingangsumrichter, ausgeführt als resonant schaltendes Leistungsteil mit aktiver Eingangsstromregelung, und galvanischer Trennung durch einen Mittelfrequenztransformator. Dieser Eingangsumrichter bildet einen Gleichspannungszwischenkreis, an den festfrequente und frequenzvariable dreiphasige Wechselrichter für die verschiedenen Verbraucher innerhalb der Klimaanlagen angeschlossen sind. Eine weitere Eigenschaft der Energieversorgung MEE-NTSD ist ihre Modularität. Die Module konnten direkt in die Klimaanlagen integriert werden. Somit verfügt jede Klimaanlage über ihre eigene Energieversorgung. Durch den Entfall von Gehäuse und Kühltechnik konnten sowohl Gewicht als auch Kosten für die Energieversorgung minimiert werden.

Mit der Modernisierung der beiden ET 420 haben sowohl die DB AG als auch die Zulieferer gezeigt, wie bei Einsatz modernster Technologie auch ein konzeptionell bereits 40 Jahre altes Fahrzeug mit – im Vergleich zur Neubeschaffung – moderaten Finanzmitteln für den zukünftigen Fahrgasteinsatz vorbereitet werden kann. Die Realisierung dieses Projekts innerhalb kürzester Zeit wäre ohne die gute Zusammenarbeit aller Zulieferer, dem Umbauwerk Krefeld der DB-Instandhaltung GmbH, der Abteilung Engineering der DB AG in Krefeld, der DB-Projektleitung und dem Kunden DB Regio Baden-Württemberg, nicht möglich gewesen.

Autoren:
Stefan Timmers (DB AG);
Guido Bachmann, Dirk Wimmer (SMA Technologie AG)

Ein Beitrag aus Regionalverkehr 6/2005.

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