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Regionalverkehr 1-2002

Macchia, Meer und Meterspur

Frankreichs schönste Eisenbahn liegt auf Korsika. Auf schmaler Spur brummen die alten und neuen Triebzüge der Chemins de Fer de la Corse (CFC) über die Mittelmeerinsel: durch die blühende, wild wuchernde Macchia, über Schwindel erregende Viadukte und direkt am Meer entlang.

Von Bucht zu Bucht

Korsikas älteste Züge rattern jedes Jahr von Ende Mai bis Anfang Oktober zwischen Calvi und L’île-Rousse an der Küste entlang. Jeden Morgen starten die 50 Jahre alten Triebwagen zur Fahrt über die meterspurigen Gleise. Gleich hinter Calvi versinken die Schienen fast im weißen Sand, so dicht rumpeln die Bahnen hier am Wasser entlang. Der »contrôleur« windet sich durch den mit Picknickkörben, Badetaschen und Sonnenschirmen zugestellten Zug. Wenig später steigt die »Tramway de la Balagne« an und folgt in engen Kurven dem felsigen Ufer. An den meisten Zwischenstationen wird nur »à demander« gehalten, das heißt, dass der Zug nur auf Verlangen stoppt. Besonders einladend sind die weiten Sandstrände von Algajola - an der Station Algajola Plage stoppt der Zug wieder direkt am Meer - und von L’île-Rousse.

Ins Gebirge

Hinter L’île-Rousse schwenkt die Balagne-Linie ins Landesinnere ab. Durch karge, felsige Seitentäler geht es steil bergan über die Station Novella (452 Meter über dem Meeresspiegel) und wieder hinunter nach Ponte-Leccia (200 Meter). Hier wird die Zentrallinie Bastia – Ajaccio erreicht, die quer über die Insel verläuft. Auf ihrem Weg von Küste zu Küste überquert die 152 Kilometer lange Zentrallinie einen Hochgebirgskamm mit über 2000 Meter hohen Gipfeln. Höchster Punkt der Bahn ist die auf 906 Metern liegende Station Vizzavona. Atemberaubend ist die Überquerung des 140 Meter langen Viadukts Ponte du Vecchio - im Jahr 1888 entworfen von Gustave Eiffel -, der bei Venaco in 94 Meter Höhe den Vecchio überspannt.

Nur wenige Züge pro Tag sind von Calvi nach Bastia durchgebunden, auf der Zentrallinie kommt alle zwei bis drei Stunden ein Zug. Die einfache Fahrt von Calvi nach Bastia dauert drei Stunden, die Reise von Bastia nach Ajaccio dreieinhalb Stunden. Wer von Calvi nach Ajaccio fahren möchte, muss gut vier Stunden Reisezeit einplanen und in Ponte-Leccia umsteigen. Nicht auf allen Eisenbahnstrecken Korsikas geht es so nostalgisch zu wie auf der »Tramway de la Balagne«. Seit 1990 sind die Renault-»Autorails« der Bauart ABH-8 auf allen anderen Linien von modernen, leistungsstarken Triebwagen in Mehrfachtraktion abgelöst worden.

Modernisierung in den 1970ern

Den Anfang der Modernisierung machten die 1975 und 1976 beschafften fünf Triebwagen der Baureihe X-2000, die sich im Lauf der Jahre allerdings als nicht besonders zuverlässig erweisen sollten. So ließen sich die an den Wagenenden unter den Einstiegen angeordneten Unterflurmotoren nur unzureichend kühlen, was an heißen Sommertagen häufig zur Überhitzung der für die Bergstrecken zu schwach dimensionierten Antriebsanlagen führte. 1981 und 1982 folgten die in zahlreichen Punkten verbesserten Triebwagen X-5001 und X-5002. Den harten Betriebsanforderungen waren auch diese Fahrzeuge nicht hundertprozentig gewachsen: Wagen X-5002 geriet aufgrund eines Motordefekts in Brand und musste in der Werkstätte der französischen Staatsbahnen SNCF komplett neu aufgebaut werden.

»Inselgerechte« Züge in den 1990ern

Erst mit den zwischen 1989 und 1997 in drei Tranchen gelieferten Triebwagen X-97051 bis X-97057 gelang es, die Renault-Altbautriebwagen auf der aufkommensstarken Zentrallinie Bastia - Ajaccio abzulösen. Die leistungsstarken, bis zu 90 Stundenkilometer schnellen Fahrzeuge sind bestens an die starken Steigungs- und Gefälleabschnitte im korsischen Eisenbahnnetz angepasst. Dazu tragen besonders die hydrodynamischen Voith-Turbo-Getriebe bei, die aufgrund ihrer zusätzlichen Bremswirkung auch in Abschnitten mit 30 Promille Gefälle eine Geschwindigkeit von 40 Stundenkilometern erlauben. Die Antriebsanlagen sind nun mittig unter dem Fahrzeugrahmen angeordnet, während die elektrischen Anlagen und das Kühlsystem in zwei Schränken im Fahrgastraum untergebracht sind. Ausfälle sind bei den neuen Fahrzeugen nur selten zu beklagen. Wie ihre Vorgänger verfügen die sieben Triebwagen, die zusammen mit sechs Steuerwagen geliefert wurden, über jeweils 48 Sitzplätze. Die Ausstattung wird ergänzt durch einen Platz für Rollstuhlfahrer, eine Toilette und zwei Mehrzweckbereiche für Gepäck und Eilgut. Bis zu sechs Einheiten, bestehend aus je drei Trieb- und Steuerwagen, können von einem Führerstand aus gesteuert werden, sodass bei Bedarf in einem Zug bis zu 300 Fahrgäste Platz finden.

Einsätze

Heute wird die Zentrallinie Bastia - Ajaccio ausschließlich von den X-97000-Triebwagen befahren, während nach Calvi die X-2000- und X-5000-Triebwagen rollen. Im verdichteten Nahverkehr zwischen Bastia und Casamozza fahren beide Baureihen gemeinsam. Auf der »Tramway de la Balagne« sind ausschließlich die beiden Renault-Triebwagen 201 und 204 unterwegs. Deutliche Verbesserungen im Reisekomfort werden die zwölf Panorama-Triebzüge vom Typ AMG 800 des französischen Herstellers CFD bringen, von dem die ersten noch in diesem Sommer angeliefert werden.

Mehr zu den neuen Fahrzeugen in Regionalverkehr 7/8-2007. Erscheinungstag: 13.06.2007.

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