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Regionalverkehr 5/2006

MAN-Wasserstoffbusse für Berlin

Seit 1. Juni 2006 gehören umweltfreundliche MAN-Wasserstoffbusse zum Berliner Stadtbild. An diesem Tag gingen die ersten zwei von insgesamt 14 Fahrzeugen in den Praxisbetrieb. Sie "emittieren weitaus weniger Schadstoffe als alle anderen Verbrennungsmotoren, die es derzeit gibt", so Ernö Bartha, Mitglied der Geschäftsführung der Neoman Bus GmbH, bei der Übergabe der beiden Fahrzeuge am Brandenburger Tor im Beisein von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD). Im Rahmen dieses Projekts werden die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) auf ihrem Betriebshof Heerstraße in Berlin-Spandau eine spezielle Wartungshalle für Wasserstoffbusse einrichten. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Betriebshof hat ein Tankstellenbetreiber neu eröffnet: Diese öffentliche Tankstelle bietet neben konventionellem Sprit auch Wasserstoff als gasförmigen und flüssigen Kraftstoff an und kann damit die derzeit in Berlin eingesetzten Wasserstofffahrzeuge versorgen.

Im Verkehrssektor lässt sich mit dem Energieträger Wasserstoff die Umweltbilanz in Zukunft nachhaltig verbessern. Als Treibstoff für Fahrzeuge ist der Einsatz von Wasserstoff im Verbrennungsmotor durch sehr niedrige Emissionswerte gekennzeichnet: der kohlenstofffreier Energieträger ermöglicht einen Fahrbetrieb ohne Kohlendioxidemissionen (CO2). Die Motoren H 2866 UH und der weiterentwickelte H 2876 UH 01 unterschreiten bereits heute alle festgelegten zukünftigen EU-Abgasgrenzwerte bis Euro 5. So liegen die Stickoxide (NOX) bei rund 0,2 Gramm pro Kilowattstunde (Euro 5: zwei Gramm), die Kohlenwasserstoffe (HC) bei 0,04 Gramm (0,46) und die Partikelmasse (PM) unter 0,005 Gramm pro Kilowattstunde (0,02). Kohlenmonoxidemissionen liegen unter der Nachweisgrenze (alle Werte nach ESC, dem European Stationary Cycle).

MAN-Wasserstoffbus

Rückblick

Die Entwicklung von Wasserstoffverbrennungsmotoren begann schon 1992 im Nürnberger Motorenwerk der MAN. 1996 präsentierte der Hersteller den ersten ÖPNV-zugelassenen Stadtbus des Typs SL 202 mit Verbrennungsmotor und Flüssigwasserstoffspeicherung. Der Antrieb wurde bivalent ausgeführt, das heißt für Überführungsfahrten konnte das Fahrzeug auch mit Benzin betrieben werden. Das Fahrzeug wurde bis 1998 über insgesamt 42.000 Kilometer im Liniendienst in Erlangen und München eingesetzt.

Für die weiteren Entwicklungsarbeiten an Verbrennungsmotoren wurde 1997 im Nürnberger Motorenwerk ein moderner Wasserstoffmotorenprüfstand installiert. Begleitend zu den Entwicklungsarbeiten wurden wertvolle Betriebserfahrungen im Kundeneinsatz gewonnen. Ein Beispiel hierfür ist der mehrfache, erfolgreiche Einsatz eines MAN-Wasserstoffbusses seit dem zweiten Halbjahr 2004 bei der BVG in Berlin. Das Fahrzeug verfügte über einen Wasserstoffverbrennungsmotor des Typs H 2866 UH.

Mitte 1999 startete MAN mit der Erprobung von drei Niederflurgelenkbussen mit Druckwasserstoffspeicherung bei 250 Bar in Aluminiumcompoundbehälter auf dem Dach und einem weiterentwickelten Verbrennungsmotor des Typs H 2866 UH. Diese Motorversion ist monovalent, also ausschließlich mit Wasserstoff zu betreiben und leistet 140 Kilowatt. Die Fahrzeuge (zwei MAN NL und ein Neoplan-Centroliner) sind seitdem im Personentransport auf dem Vorfeld des Flughafens München im Einsatz und legten in dieser Zeit mehr als 450.000 Kilometer zurück. Seit August 2005 werden zwei Busse, einer mit Verbrennungsmotor, ein weiterer mit einem Brennstoffzellenhybridsystem, im öffentlichen Nahverkehr rund um den Flughafen München betrieben (siehe Regionalverkehr 6/2005).

Technik

Der MAN-Wasserstoffverbrennungsmotor basiert auf den Erdgasmotoren der E 2866/76-Baureihe, die bereits über 4000-mal weltweit im Einsatz sind. Da eine Vielzahl von Komponenten, wie zum Beispiel das Motorgehäuse mit dem der Dieselmaschinen identisch sind, können die Mehrkosten im Vergleich zur Brennstoffzellentechnologie niedriger gehalten werden. Bei diesen Aggregaten handelt es sich um Reihensechszylinder, die nach dem Viertakt-Ottoprinzip arbeiten.

Die wichtigsten Merkmale des Motors sind die äußere Gemischbildung, die Qualitätsregelung mittels Drosselklappe und die Fremdzündung durch Zündkerzen. Eine Besonderheit des Wasserstoffs als Kraftstoff liegt in seiner hohen Zündwilligkeit. Die zum Zünden eines Gemisches mit Luft benötigte Energie beträgt nur etwa ein Zwölftel der benötigten Zündenergie eines Benzinluftgemisches. Zur Vermeidung von Glühzündungen, Rückzündungen in das Saugrohr und Klopfen wurden folgende technische Maßnahmen ergriffen: Absenkung der Verdichtung (um das Klopfen zu vermeiden), sequentielle Multipoint-Wasserstoffeinblasung in die Saugrohrarme mittels elektromagnetisch betätigter Ventile direkt vor die Einlassventile und Verwendung einer kennfeldgesteuerten Zündanlage mit ruhender Hochspannungsverteilung und speziellen Zündkerzen mit Platinelektroden.

Durch eine leichte Übersättigung des Kraftstoff-Luft-Gemischs mit Wasserstoff werden in einem nachgeschalteten Katalysator die Stickstoffoxidemission minimiert. Dieses patentierte Verfahren kann mit Reduktionswerten (NOx) von über 95 Prozent aufwarten. Die Motorsteuerung übernahm bei der ersten Generation die Bosch Motronic M 3.3, die mittlerweile durch die auch im Gasmotor eingesetzte ME7-GAS1 ersetzt wurde. Der Abgaskrümmer ist wegen der hohen Verbrennungstemperaturen wassergekühlt ausgeführt.

Zur Anhebung der Motorleistung arbeiten die MAN-Ingenieure an der Aufladung von Wasserstoffmotoren., zurzeit wird ein Aggregat mit Abgasturboaufladung entwickelt. Der neue Motor (H 2876 LUH 01), der gerade für einen Fahrzeugversuch im Rahmen von HyFLEET:CUTE entwickelt wird, basiert auf der Diesel-Motorengeneration D 2876. Der wesentliche Vorteil sind spezielle Ventile, welche die Einblasung des Wasserstoffs unmittelbar in den Brennraum bei einem niedrigen Druckniveau von etwa zehn Bar erlauben, sodass keine Rückzündungen möglich sind. Durch die Abgasturboaufladung wird dem Motor mehr Luft zugeführt. Dies ermöglicht den Betrieb bei mageren Verbrennungsluftverhältnissen. Angestrebt werden Lambdawerte größer als zwei, wodurch eine geringe NOx-Emssion erzielt wird. Auf eine Abgasnachbehandlung kann daher verzichtet werden. Das magere Gemisch erlaubt auch eine Anhebung des Verdichtungsverhältnisses auf 12:1. Hierdurch und durch die teilweise Entdrosselung im Teillastbetrieb ergeben sich auch deutliche Verbrauchsvorteile gegenüber dem Saugmotor. Es wird eine Leistung von 200 Kilowatt angestrebt, was den meisten Einsatzzwecken im städtischen Verkehr genügt. Die Reichweiten liegen je nach Druckspeichersystem bei bis zu 300 Kilometern, einem Wert, der einen regulären Betrieb ermöglicht.

Ausblick

Angesichts der noch an ihrem Anfang stehenden und sehr aufwendigen Entwicklung der Brennstoffzelle als Antrieb für Nutzfahrzeuge hat sich MAN für den mittelfristigen Einsatz von Wasserstoffverbrennungsmotoren für den ÖPNV entschieden und treibt deren Entwicklung konsequent zur Serienreife voran. Die Vorteile überwiegen: So sind Verbrennungskraftmaschinen Jahrzehnte lang erprobt und höchst zuverlässig, was wiederum eine eelativ schnelle Serieneinführung der Wasserstoffmotoren für den Einsatz in Stadtbussen ermöglicht. Existierende Produktionsprozesse können weitgehend genutzt werden, und das Antriebssystem kann ohne großen technischen Aufwand in existierende Fahrzeugkonzepte integriert werden. Wichtig: Insgesamt sind die Systemkosten bedeutend niedriger als bei anderen in der Entwicklung befindlichen Konzepten. Für die Zukunft: Die Aggregate können von allen für Verbrennungsmotoren gemachten Entwicklungen zur Steigerung der Effizienz und Leistung profitieren. Und die Ansprüche an die Reinheit des Wasserstoffs sind geringer als bei der Brennstoffzelle, die hochreinen Wasserstoff benötigt. (pr)

Ein Beitrag aus Regionalverkehr 5/2006.
Erscheinungstag: 30.08.2006

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